Texte


Amsterdam Geschichten


Annemarie

An der Noorderkerk auf dem Noordermarkt findet an jedem Montag, ob es schneit, regnet oder die Sonne scheint, ein Rommelmarkt statt. Ein Flohmarkt, auf dem man Antikes, Bücher, Schallplatten, Kleider, Schmuck ebenso findet wie schönes altes Geschirr, Vietnamesische Frühlingsrollen oder DVDs mit türkischen Catchern, die sich, bevor sie ihre „Arbeit“ verrichten, mit Öl einschmieren. Ich war gerade über den Markt geschlendert, hatte die Atmosphäre in mich eingesogen und der blonden Frau zugehört, die ihre sizilianischen Weintrauben nun lautstark „goedkoop“ (billig) anbot. Da sah ich eine alte Dame mit ihrem Fahrrad vor einem verlassenen, baufälligen Haus stehen. Ich schaute mir das Haus auch an und da sprach sie mich auf Niederländisch an. Ich bat sie, auch auf Niederländisch, etwas langsamer zu sprechen, da fragte sie mich, ob ich auch deutsch spräche. Erst begann sie über das Viertel, in dem das Haus vor dem wir standen, zu erzählen: den Joordan, ein altes Arbeiterviertel, in dem man sich noch früher gegenseitig geholfen hatte. Das sei jetzt nicht mehr so, sagte sie und mir fiel ein, dass ich gelesen hatte, das der schöne Joordan schicker geworden sei, ein richtiges, kleines In-Viertel.

Aber das war nur ein Einstieg in die Erzählung über ihr Leben. Es stellte sich heraus, dass sie aus Leipzig käme und nun seit 1951 in Amsterdam wohnte. Ihr Deutsch-Niederländisch-Sächsischer Akzent war schön anzuhören.

Annemarie war 51 Jahre verheiratet, bis ihr Mann vor vier Jahren, im Jahre 2002, starb. Er war nicht der Richtige, sagte sie, und ich dachte an die 51 Jahre, die die beiden verheiratet gewesen waren.

Sie war an der Grenze durch einen Fluss von Deutschland nach den Niederlanden geflohen.

Warum hatte sie nicht erzählt und manches blieb unbeantwortet.

Sie erzählte Geschichten von ihrem Mann, Gründe warum sie nicht glücklich war. Sie hatte einmal im Streit, das war im Jahr 1955, eine Vase zerschmissen. Sie wurde, durch einen Handgriff ihres Gatten an ihrem Nacken, auf den Boden gezwungen und musste ihm schwören, dass sie das nie wieder tun würde. Sie erwähnte zwei Mal, dass ihr Mann ein „Mann“ gewesen sei. Ich fragte nach und bekam aus ihr heraus, das wohl der moderne Begriff Macho auf ihn am ehesten zugetroffen hätte. 1953 wäre Annemarie beinahe von ihm weggelaufen. Sie war bis Mitte/Ende der 1980er Jahre Garderobenfrau im RAI (das Messegelände in Amsterdam) und lernte dort Dieter aus einer Stadt in Süddeutschland kennen. Die beiden verliebten sich ineinander. Dieter hatte ihr dann jahrelang geschrieben. Diese Liebesbriefe entdeckte sie erst nach dem Tode ihres Mannes auf dem Dachboden, fast 50 Jahre nachdem sie Dieter kennen gelernt hatte. Ihr Mann hatte sie all die Jahrzehnte vor ihr versteckt und nichts davon erzählt. In einem dieser Briefe las sie, dass er sich erkundigt hatte was „Ich liebe dich“ auf Niederländisch heißen würde. Er schrieb es dann am Ende: „Ik hou van jou“!

1985, über 30 Jahre später, kam er wieder zu ihr an die Garderobe und erzählte ihr, dass er das Letzte mal kommen würde, da seine Söhne die Arbeit übernehmen würde. Sie hatte ihn nicht erkannt und erst später realisiert, dass es „ihr“ Dieter war, der sie an „ihrer“ Garderobe angesprochen hatte.

Wo war Dieter in den Jahren zwischen ihrem ersten und letzten Treffen? Sie arbeitete bei der Garderobe an einem Seiteneingang und in den Jahrzehnten dazwischen hielten die Taxis nicht mehr bei ihr, sondern am Haupteingang. Und wahrscheinlich wollte Dieter Annemarie auch nicht mehr sehen, da sie auf seine Briefe nie geantwortet hatte. Im Jahre 2002 schrieb Annemarie einen Brief an den Bürgermeister des kleinen Ortes in Süddeutschland und erfuhr von ihm, dass Dieter 1988 an Krebs verstorben war. Annemarie möchte so gerne an sein Grab, erzählte sie mir.

Hatte sie auch Glück? Ja, sie bekam zwei Kinder: Renate 1955 und Hans 1961. Sie lebte für ihre Kinder und Hans bedankte sich einmal bei ihr, dass sie bei seinem Vater geblieben ist, so sei er kein Deutscher geworden. Aber sie sei, sagte sie, innerlich immer Deutsche geblieben. Sie hätte zwar auch holländisch gekocht und holländisches Fernsehen geschaut, doch seit dem ihr Mann tot sei würde sie fast nur noch deutsches Fernsehen schauen. Einmal im Jahr fährt sie in die Heimat, das tat sie auch schon zu DDR Zeiten.

Als sie Anfang der 1950er Jahren nach Amsterdam kam musste sie ins Krankenhaus und dort wurde sie, „obwohl ich Deutsche war“, sehr liebevoll gesund gepflegt. Das sei ihr wieder passiert, nur anders herum.

Sie wollte unbedingt noch einmal in den letzten Jahren nach Berlin und da wurde sie krank. Diesmal pflegten sie Deutsche Ärzte fürsorglich und sie lehnten es auch ab, sie schnell wieder nach Amsterdam zuschicken, nachdem ihre Krankenkasse, das erbeten hatte, um Kosten zu sparen. Letztendlich wurde sie, nachdem sie wieder gesund war, mit dem Taxi direkt bis nach Hause in ihre Wohnung in der Nähe des RAI gebracht.

Ursprünglich kam Annemarie vom Lande, das erzählte sie mir noch. Auch von ihrer etwas faulen, jüngeren Schwester und vom Großvater, der jede Woche ein Pferdeschnitzel aß und mit 85 Jahren noch mit seinen eigenen Händen ein Kälbchen zur Welt brachte. 

Sie wirkte nicht unglücklich und betonte, dass ihr Sohn Hans ein toller Sohn sei.

Nun hatte ich ihr eine halbe Stunde meines Lebens geschenkt, um mir 55 Jahre aus ihrem Leben anzuhören. „Jetzt habe ich sie bestimmt aufgehalten und gelangweilt!“, sagte sie und ich schüttelte meinen Kopf. „Falls sie mal ein Buch schreiben, dann schreiben sie das, was ich ihnen eben erzählt habe!“ Ich drückte ihre Hand, wünschte ihr alles Gute, ging mit Gedanken an Annemarie, ihre Ehe, Dieter und ihrer beiden Kinder meiner Wege.


Zu Besuch bei Ton in Amsterdam

 

Letztens hatte ich eine email erhalten, die mich sehr traurig gemacht hatte: Ton van Kleut war gestorben. Er war zwar 75 Jahre alt geworden, aber dennoch hatte mich diese Nachricht sehr traurig gemacht.

Ich erinnerte mich: ein Schmalfilmfreund wie ich, hatte mir, als ich in die Materie Super8 eingestiegen war, erzählt, dass es ein paar Adressen in Europa gibt, die man kontaktieren musste. Derann Film Services in England: hier wurden nicht nur gebrauchte Filme verkauft, sondern auch eigene Dokumentationen und neue Kopien von Filmen auf Super8 verkauft. Hier gab es James Bond im Schmalfilmformat oder Herr der Ringe als Super8 Trailer. In Hamburg: Wittner Kinotechnik und Rinser in München. Bei Beiden konnte man sich mit Leerfilmen, Projektoren und Ersatzteilen eindecken.

Dann leuchteten seine Augen auf und er erzählte mir von einem kleinen, aber feinen Eckladen, dem Filmcorner. „Hier findest du Schätze auf Super8 und 16mm, die du sonst nirgendwo findest. Nicht billig, aber klasse! Der Laden wird von einem sehr netten, älteren Herrn betrieben“. Er hatte mich neugierig gemacht. Da Amsterdam zufällig meine Lieblingsstadt war, stand einem Besuch beim Filmcorner nichts im Weg.

 

Ein paar Monate nach diesem Gespräch fuhr mein Zug in die Centraal Station in Amsterdam ein. Nach zwei Tagen mit Umherstreifen in der wunderschönen Grachtenstadt, schaute ich auf meinen Zettel, auf dem die Adresse vom Filmcorner stand: Marnixstraat 263. Auf dem Stadtplan fand ich die Nummer 263 an der Ecke der Elegantiersgracht. Der Laden befand sich am Rande des schönen Grachtengürtels, im Westen der Stadt. Ich schwang mich auf mein Fahrrad und radelte an den Grachten entlang, mit einer gewissen Sammleraufregung im Herzen, um nach zehn Minuten mein Fahrrad an einem Geländer an der Lijnbaansgracht anzuschließen. Mit großer Spannung näherte ich mich dem Laden. Die Marnixstraat war eine breite, stark befahrene Straße. Nicht sehr schön. Aber ich hatte ja sowieso vor, in den Filmladen zu gehen. Das Schaufenster war nett dekoriert: ein Projektor, Super8 Werbung und schon interessante Filme, wie „Tarzan bei den Amazonen“ oder „Weiße Mädchen, gelbe Teufel“. Voller Vorfreude betrat ich den Laden. Ich war alleine, bis ein älterer Mann eine Treppe hinunter in den Ladenbereich kam. Er begrüßte mich natürlich auf holländisch. Ich probierte auf englisch und wir trafen uns bei deutsch. Ich erzählte ihm, dass ich auf der Suche nach Schmalfilmschätzen wäre und er sagte mir mit einem gewissen Schalk im Nacken, dass ich da bei ihm richtig sei. Er zeigte mir seine Abteilungen: Humor, Musik, Spielfilme und mit einem verstohlenen Auge sah ich, dass er auch Pornos besaß. Die allerdings interessierten mich nicht, schließlich sammelte ich für meine Schmalfilmabend-Bühnenshow (www.schmalfilmabend.de). Da brauchte ich immer Skurriles, wie Werbung, Musikclips oder Trashfilme und keine Pornos. „Weiße Mädchen, gelbe Teufel“ klang doch gut.

Nach dem ersten Besuch bei Herrn van Kleut hatte ich mir vorgenommen wiederzukommen: ein netter Mann.

Im nächsten Jahr fand ich dort Ronnie Tober in Holland – ein berühmter Schnulzensänger aus Holland, der in einem Chinarestaurant mit Band und in Appeldoorn zwei seiner Smartlappen (Schmachtfetzen) zum Besten gab. Ton, inzwischen duzten wir uns, ließ mich in seine heiligen Hallen schauen. Im hinteren Teil des Ladens befand sich noch ein Filmlager und eine kleine Vorführstätte.

Beim dritten Besuch begrüßte er mich mit Namen, dass er sich freuen würde mich zu sehen und mit einem Tee. Endlich durfte ich auch seine Toilette besuchen, die Chancen hatte, es ins Guinessbuch der Rekorde als kleinste Toilette der Welt zu schaffen.

Im folgenden Jahr hatte ich einen Niederländischkurs im Goethe-Institut in Amsterdam belegt. Mit den ersten Brocken besuchte ich Ton und den Filmcorner. Schon längst zog es mich nicht nur zu den Filmen, sondern auch zu diesem netten, aufgeschlossenen Mann. Ton van Kleut hatte mit der ganzen Welt Kontakt. Er verkaufte seine Film nach Japan, England, Deutschland oder in die USA.

Diesmal fand ich Claude Francois singt Discolieder. Ein echter Hingucker -Hit: besagter französischer Sänger hüpft mit dünnen Schönheiten zum Takt seiner Musik. Zum ersten mal erzählte er mir von seiner Tochter, die in Solingen mit Familie lebt. Er selbst wohnte mit seiner Frau ein bisschen vom Stadtzentrum entfernt. „Wegen der Miete“, wie er mir schmunzelnd mitteilte.

Ein Jahr später, bei Tee in kleinen Plastiktässchen, plauderte er darüber, wie lange er schon in seinem Laden stand. „Meinem Vater hatte dieser Laden gehört und ich war oft bei ihm, wenn er mit den Filmen handelte. Damals verkaufte er nur Super8 Filme. Keine Pornos oder Spielfilme auf DVD.“ In den 1970er Jahren hatte seine Firma sogar Filme produziert. Einer der Filme war in meinen Besitz gelangt: ein Touristikporträt über Amsterdam, dass sie damals auf deutsch, englisch und natürlich holländisch herausgebracht hatten. Ich fuhr mit „Vanessa zingt“ nach Hause. Vanessa, eine holländische Sängerin singt und tanzt, während sie und ihre Tänzer und Tänzerinnen als Putzfrauen verkleidet sind. Ein Wahnsinnsstreifen!

In den ersten Jahren meiner Bekanntschaft fuhr ich immer mit einem gedruckten Filmkatalog nach Deutschland zurück. Inzwischen wurde das auch per mail erledigt. Als ich dann eines Tages von Ton kurz vor Weihnachten mit einem Jahreskalender bedacht wurde, war ich sehr gerührt.

2010 war ich bei ihm in seinem kleinen, schönen Laden. Es war um die Mittagszeit. Ton hatte Hunger. Er wollte sich etwas zu Essen kaufen und bat mich, auf seinen Laden aufzupassen. Ich tat es gern und war gerührt.

Er brachte mir ein Brötchen mit und wir aßen zusammen. Ich umarmte ihn zum ersten Mal beim Abschied, ohne zu ahnen, dass ich ihn nie wieder sehen würde. Zwei Monate vor meinem nächsten Aufenthalt in Amsterdam im August 2011 war er gestorben. Nicht dahingeschieden, von uns gegangen, sondern einfach tot. Wie schade! Er war ein besonders netter, lieber, zuvorkommender und humorvoller Mensch. Er gehörte für mich zu Amsterdam dazu, wie die Grachten, Fahrräder oder die schönen alten Häuser. Er wird mir fehlen!

 


Der Mensch muß schlafen, auch in Amsterdam

 

An den Coffeeshops vorbei betrat ich damals mein erstes Amsterdamer Hotel. Es war ein muffig, miefiges Hotel. Ich kann es nicht belegen, aber ich möchte meinen, dass mindestens jedes zweite Hotel aus den Kategorien ein bis zwei Sterne muffig, miefig ist. Über drei Sterne Hotels kann ich wenig sagen, ich hatte erst eins. Und das hatte, oh Wunder, ein eigenes Badezimmer mit Toilette. Ich kombiniere: Fremder, kommst Du nach Amsterdam und willst übernachten, überlege es Dir lieber. Klo und Dusche auf dem Gang ist normal und ändert sich erst ab ca. € 90,- pro Zimmer, Frühstück ist nicht selbstverständlich, Stadtsteuer musst Du oft auch noch zahlen. Bitte lasse auch bei €80,- pro Einzelzimmer deine Geschmacksnerven in Bezug auf die Einrichtung Zuhause. Ich hatte klamme, ungemütliche Zimmer, schlechtes Frühstück und gar keins, klamme Bettdecken und den Duft der weiten Urinwelt. Ich kann es verstehen, dass Hotels in Grachtenhäusern mitunter des Platzes wegen beschränkt sind und nicht unbedingt ein Badezimmer unterbringen können, aber dann sollen sie gefälligst das Zimmer für € 25,- pro Nacht anbieten und nicht für € 80,-. Außerdem sollten sie ihre Klitschen nicht Hotel Imperial, International oder Atlanta (alles ein oder zwei Sterne Schlafunterkünfte) nennen. Besser wäre Hotel Absteigje, Hotel Muffelbudje oder Hotel Nur bettje in de kamertje. Immerhin muss man seine Bettwäsche nicht selbst mitbringen.

Ich könnte mich noch zeilenlang über das Thema „Übernachten in Amsterdam“ auslassen, aber ich stehe inzwischen darüber, da ich endlich „die“ Übernachtungs-möglichkeiten für mich gefunden habe. Die erste wirklich schöne und günstige war ein Barockzimmer in einem Grachtenhaus aus dem Jahre 1613 an eine der vier großen Grachten gelegen, dem Singel. Der schönste Stuck an der Decke, den ich je gesehen habe (inkl. eines trompetenden Engels), ein altes Gemälde, eingearbeitet oberhalb eines prunkvollen Schranks, ein bezaubernder, stattlicher, nicht mehr funktionierender Kamin, eine Küchenecke, und ca. 20 qm2 groß. Das ich eine steile Grachtenhaustreppe zur kleinen Nasszelle gehen musste war zu verkraften. Das bei de Küchenutensilien kein Eierbecher dabei war auch. So hatte ich immerhin etwas fürs Leben entdeckt: man kann das Ei in eine aufgestellte Toilettenpapierrolle stellen und hat einen prima selbsthergestellten Eierbecher. Aber das schönste an dem Zimmer war, das ich morgens aus dem Grachtenhaus trat und meinen eigenen Grachtenhausschlüssel hatte. So fühlte ich mich ein bisschen wie ein Amsterdamer, als würde ich dazugehören. Und ... tatata: es kostete € 15,- pro Nacht!

Inzwischen ist dieses Zimmer leider dauer vermietet.

Ich vergaß, dass ich einmal einen Gutschein einer großen Hotelkette für mehrere Übernachtungen in Amsterdam einlösen konnte. Ich hatte mit einem Freund ein Doppelzimmer für € 350,- bewohnt. Das Zimmer war sauber und alles war gut, aber kann man wirklich für € 350,- einen Tag verwohnen? Selbst wenn man den ganzen Tag auf der Bude hängen würde, was ja wenig Sinn macht in dieser wundervollen Stadt, kommt man vielleicht gerade mal auf € 100,- inkl. Frühstück, Strom, Wasser und Kabel TV Gebühren, falls es so etwas in Holland gibt. Das Frühstück war prima. Zwei Sachen störten mich jedoch immens. Erstens wurde der Tee aus einfachen Teebeuteln zubereitet (unglaublich für ein vier Sterne Hotel) und jeden morgen saß ein japanischer Tourist vor seinem Teller, der vollends belegt war, so als hätte er für den Teller bezahlt und dürfe sich soviel auf den Teller schaufeln, wie eben nur draufpasst. Er saß da, beugte sich so herunter als würde er gleich mit seiner Nase im Rührei landen und schmatzte, wie ich es bisher nur von einem nicht menschlichen Geschöpf gehört hatte. Dazu redete er so laut mit seinem japanischen Kollegen, der sich auch so benahm wie ein Tier mit sieben Buchstaben, das mit einem Sch anfängt, dass es eigentlich hätte peinlich für die asiatischen Jungs hätte sein müssen. Die jedoch schmatzten und brüllten weiter und wenn sie nicht gestorben sind sitzen sie da heute noch und brüllen und schmatzen.


Fietsen oder auch Radfahren macht wieder Spaß

 

Bei den ersten fünf Besuchen in Amsterdam war ich nur zu Fuß unterwegs, es war doch zu schön alles genau und langsam in sich aufzusaugen, durch die Grachten streifen. Allerdings gab es, wenn man sich nicht so gut auskannte, eine Gefahr und man sollte als Tourist seine Augen auf und die Sinne wach halten, denn die Mehrzahl der Amsterdamer bewegt sich mit dem Fahrrad, dem fiets, voran. Als außenstehender, nicht dazu gehörender, denkt man schnell, dass die Amsterdamer Radler rücksichtslos, fahrlässig sind. Das sie denken ihnen gehört alles, auf was man mit dem Fahrrad fahren kann. Sie haben einfach vergessen, dass sie als Fußgänger auf die Welt gekommen sind. Wenn sie dann fast einen Touristen angefahren haben blitzt es in ihren Augen kurz auf, sie denken für einen flüchtigen Moment nach und man sieht im Weiß ihrer Augen den kurzlebigen Gedanken: „Habe ich mich auch mal so primitiv fortbewegt?“ Doch dann ist es schnell vorbei, sie rasen weiter und der nächste Tourist wird aus dem Weg geklingelt. Das es allerdings eine Touristenumfahrpunktetabelle gibt ist ein Aprilscherz der Zeitschrift „Daily Bicycle“, die monatlich auf Haiti erscheint und oft einen rechten Blödsinn schreibt.

Bei meinem sechsten Besuch wollte ich herausbekommen, ob die Einwohner dieser von mir geliebten Stadt tatsächlich so rücksichtslos sind. Ich lieh mir ein Fahrrad und verfiel ihm von der ersten Sekunde an. Ich klingelte Touristen zur Seite, merkte schnell, dass Ampeln, vor allem rote, nur für Fußgänger und Autos gelten und spürte die Erregung in mir, als mir die Amsterdamer fietsers anerkennend zublinzelten. Ich war einer von ihnen, schüttelte den Kopf über Touristen, die ohne zu Schauen über die Straße gingen und im Oktober im Jahre 2006 fuhr ich zum ersten Mal, zwar nur ganz leicht, aber immerhin, in eine Spanierin. Und bei diesem Aufenthalt sah ich auch eine Französin vom Fahrrad stürzen als sie mit ihrem Rad in die Vertiefung der Tram geriet. Hinter mir hatte ich inzwischen meinen ersten Platten. Ich war sehr, sehr weit von dem fietsverhuur (Fahrradverleih) entfernt und musste laufen, laufen, laufen.

Ein netter Mann, der gerade sein Mofa reparierte lieh mir seine Luftpumpe. Aber es half nichts. Auch der zweite Versuch bei einer Tankstelle endete mit der Erkenntnis, das der Reifen platt blieb und das „Pumpen“ an Niederländischen Tankstellen Geld kostet. Also latschte ich weiter, bei Temperaturen von ca. 33 Grad. Vielleicht sollte ich einfach mit der Tram fahren. Also zur nächsten Station, 10 min. warten, schließlich war es Sonntag. Die Tram kam und ich wollte zusteigen, aber man ließ mich nicht. In dem Amsterdamer Straßenbahn sitzt immer jemand, meist eine Frau, die dein Ticket abstempelt. Und die ließ mich nicht einsteigen. Ich erklärte mir meine Not, aber sie blieb hart. Unter glotzenden Blicken der Passagieren und der Abstempelfrau haute ich in meiner Verzweifelung auf die Scheibe der Bahn und setzte zum ersten Mal niederländische Schimpfwörter ein, die mühsam in einem Sprachkurs gelernt hatte.

Was für ein dämlicher Spruch: „Wer sein Rad liebt: schiebt!“